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Ausschnit des Titelbildes der Ausgabe rheinform 01/2024, zeigt einen Ausschnitt des Titelblattes.

Fünf Forschungsprojekte in der Sammlung des Deutschen Textilmuseums Krefeld

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Bild 1: Goldhaube aus der Sammlung Paul Prött im DTM Krefeld, 19. Jahrhundert, Inv. Nr. PT 519 (© DTM)

Fünf Forschungsprojekte in der Sammlung des Deutschen Textilmuseums Krefeld

Dr. Annette Paetz gen. Schieck

Mit dem Jahr 2017 hat für das Deutsche Textilmuseum Krefeld (DTM) eine spannende Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlung begonnen. Fünf Forschungsprojekte widmen sich der Aufarbeitung verschiedener Bereiche der umfangreichen und kostbaren Sammlung des Textilmuseums. Ermöglicht werden diese Aktivitäten durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Krefeld (Förderzeitraum 2017 bis 2021) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF, Förderzeitraum Februar 2017 bis Januar 2020).

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Zur Sammlung des DTM

Das DTM verfügt heute über eine annähernd 30.000 textile Objekte umfassende Sammlung mit universaler Ausrichtung. Sie beinhaltet Textilien aller Zeiten, Kulturen und Kontinente, die ältesten Fragmente stammen aus dem pharaonischen Ägypten, die jüngsten Objekte der gerade erst vergangenen Mode.

Kern der Sammlung ist die private Kollektion des Bildhauers Jakob Krauth in Mannheim, die 1880 vom Preußischen Staat erworben und mitsamt ihrem Urheber nach Krefeld transferiert wurde.(1) Hintergrund war, dass Krefeld als berühmtes Textilproduktionszentrum im internationalen Vergleich mit Lyon und Mühlhausen (Elsass) konkurrenzfähig bleiben wollte und dafür das Ausbildungskonzept der Königlichen Gewebeschule modernisieren musste. Das neue, ab 1879 umgesetzte Konzept umfasste neben der Verbesserung der Räumlichkeiten und webtechnischen Ausstattung auch die Gründung einer Bibliothek und das Vorhalten einer Gewebesammlung mit textilen Musterstücken aller Epochen und Kulturen, die den Lernenden als textiltechnische Studienobjekte und gestalterische Anregung zur Verfügung standen.

Unglücklicherweise erhielt die Gewebeschule 1943 einen schweren Bombentreffer und sämtliche Unterlagen zu den Objekten verbrannten, während die Textilien selbst an einem sicheren Ort ausgelagert waren. Aus diesem Grund sind bei einer großen Zahl der Sammlungsobjekte keine Informationen über ihre Vorbesitzer oder zugehörige Fragmente in anderen Sammlungen bekannt. Diese Objekte können heute lediglich über textiltechnische Analysen sowie stilistische und kulturhistorische Vergleiche erschlossen werden.

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Bild 2: Detail eines offiziellen höfischen, chinesischen Damengewandes einer Verwandten des Kaisers, 18.-19. Jahrhundert, Inv. Nr. 10225 (© DTM)

Das Museum

In den ersten 100 Jahren des Bestehens der Sammlung änderte sich das Bewusstsein der Stadtoberen über die Bedeutung und Wertigkeit der historischen Objekte, so dass die Sammlung um 1979 dem Lehrbetrieb entnommen wurde und einen musealen Status mit eigenem Museum im Krefelder Stadtteil Linn erhielt. Seither sind die Textilien nicht mehr allgemein zugänglich. Da sie besonders klima- und lichtempfindlich sind, erfordert ihre Lagerung und Präsentation strenge konservatorische Vorgaben, die verlangen, dass sie nur über relativ kurze Zeiträume präsentiert werden dürfen. Daher etablierte man das heute noch geltende Konzept, ausschließlich themengebundene, temporäre Ausstellungen zu zeigen und keine Dauerausstellung einzurichten. Pro Jahr werden daher im DTM zwei bis drei Ausstellungen präsentiert; es wechselt je eine „große“ von etwa sechs Monaten Dauer, konzipiert auf der Basis des DTM-Sammlungsbestandes, mit „kleineren“ Ausstellungen von drei bis vier Monaten Dauer, in denen zum Beispiel zeitgenössische Textilkunst gezeigt wird. So ergibt sich ein kontrastreiches Programm, in dem viele Facetten des Textilen thematisiert werden, angefangen bei historischer Mode, über textile Materialien und Techniken, bis hin zu naturwissenschaftlichen Phänomenen, visualisiert anhand von textilen Objekten.

Vor allem die historischen Textilien erfordern neben konservatorischen Maßnahmen auch eine intensive Recherche- und Forschungsarbeit. Diese kann aufgrund der speziellen Kenntnisse über entsprechende Kulturen und Techniken nicht immer von den beiden Wissenschaftlerinnen des Museums geleistet werden. Es bedarf daher der Unterstützung von externen und spezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die auch über das Wissen um die Bestände anderer Sammlungen verfügen, anhand derer die Krefelder Objekte adäquat gewürdigt und in einen umfassenden Kontext gestellt werden können. Erst diese zusätzliche Fachkompetenz verhilft dem DTM dazu, systematisch geschlossene Materialgruppen zu bearbeiten und vorzulegen. Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Krefeld und des BMBF ist es nun möglich, die eigenen Kapazitäten zumindest zeitweise durch externe Kolleginnen und Kollegen sowie deren Kompetenz zu ergänzen.

Schwerpunktförderung der Sparkassen-Kulturstiftung Krefeld 2017–2021

Alle fünf Jahre schreibt die Sparkassen-Kulturstiftung Krefeld einen Wettbewerb aus, bei dem Krefelder Kulturinstitute Konzepte für die Schwerpunktförderung einreichen können. Im vergangenen Jahr wurde aus acht Vorschlägen das Projekt „Ans Licht!“ des DTM zur Erforschung und Präsentation von vier Sammlungskonvoluten ausgewählt. Über fünf Jahre erhält das DTM nun jährlich einen festen Betrag, der vor allem in die Finanzierung der externen Fachwissenschaftlerinnen, zusätzlicher Restauratoren und Publikationen und weiterer Präsentationsformen fließt. Fortan werden historische Textilien aus den Archiven des Museums ans Licht getragen, erforscht und kulturhistorisch genauer als bislang eingeordnet. In engem Zusammenspiel mit den Wissenschaftlerinnen und Textilrestauratorinnen des Museums werden so nicht nur die Erkenntnisse über die eigene Sammlung ergänzt und erweitert, sondern diese auch in einen größeren Zusammenhang gestellt. Dies geschieht unter anderem durch internationale, öffentliche Fachtagungen, zu denen namhafte Kenner der Materialien eingeladen werden, die die Objekte im Original betrachten können und sie in den wissenschaftlichen Diskurs mit einbeziehen. Weiterhin entstehen Ausstellungen mitsamt Publikationen und ein neu zu entwickelnder Online-Auswahlkatalog zur Sammlung.

Für die Forschungen im Rahmen der Schwerpunktförderung wurden die Sammlung Paul Prött, ostasiatische, frühislamische und präkolumbianische Textilien ausgewählt (Bild 1–3). Kriterien für die Auswahl waren: Es sollen weitgehend abgeschlossene Sammlungskomplexe mit hohen Stückzahlen sein, die bislang nicht vorgelegt wurden, zu denen aber umfangreiche Vorarbeiten vorliegen. Zudem mussten Fachwissenschaftler verfügbar sein und die entstehenden Ausstellungsthemen sollten eine kontrastreiche Abwechslung bieten.

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Bild 3: Peruanisches Männergewand der Wari-Kultur, 7.-11. Jahrhundert n. Chr., Inv. Nr. 12299 (© DTM)

Das erste „Ans Licht!“-Projekt: Erforschung der Sammlung des Malers Paul Prött

Mit Beginn des Jahres 2017 begann das erste Forschungsprojekt im Rahmen des Programms. Frau Dr. Uta-Christiane Bergemann, Kunsthistorikerin und Expertin für neuzeitliche und zeitgenössische Textilien, widmet sich in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem Museumsteam der etwa 800 Objekte umfassenden Trachten- und Kostümsammlung des Malers Paul Prött; Teile der Sammlung wie die Hauben und der Schmuck werden von den Wissenschaftlerinnen des Hauses bearbeitet (Bild 1). Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf Trachten- und Kostümbestandteilen des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts, alle Objekte stammen aus dem Süddeutschen Raum und der Balkanregion. Neben der reinen Materialaufnahme und kulturhistorischen Einordnung der Objekte wirft dieses Konvolut vor allem Fragen für die Provenienzforschung auf, da es 1943 von Prött an die Stadt Krefeld veräußert wurde. Damit ist das Thema hoch aktuell, aber schwer zugänglich. Informationen zu den Lebensdaten Prötts sind ebenso schwer nachvollziehbar wie die Transaktion an sich, die Herkunft des Kaufbetrages, die Rolle Paul Prötts in dem Handel, seine Verbindungen zum Kunsthandel und politischen Größen in Berlin, die Herkunft der Objekte, und die mit der Sammlung verbundene Absicht. Zu diesem Zweck werden diverse Archive aufgesucht, Dokumente gesichtet, Informationen zur Kulturpolitik der Zeit gesammelt, Vergleichsbeispiele untersucht und Kontakt zu den heute in den USA lebenden Verwandten aufgenommen.

Da Textilien in der Provenienzforschung bislang noch wenig Beachtung erfahren, veranstaltet das DTM am Freitag den 8. September 2017 eine internationale und für alle Interessierten öffentliche Tagung mit dem Thema „Sammlungs- und Erwerbungsstrategien europäischer Museen in der NS-Zeit“. Hierbei geht es darum, die angewendeten Vorgehensweisen im Rahmen des DTM-Projektes vorzustellen sowie das sich daraus ergebende Erklärungsmuster zur Handlungsweise des Sammlers zur Diskussion zu stellen. Erkenntnisse der Provenienzforschung an anderen Textilsammlungen sollen weitergehende Hinweise auf den damaligen Kunsthandel mit Textilien und anderen kunsthandwerklichen Gütern ermöglichen und Beispiele von restituierten Textilien veranschaulichen die Herausforderungen im Umgang mit diesen Objekten. Von dem Fachaustausch erwarten die Veranstalterinnen weitere Hintergrundinformationen über Verbindungen und Mittelsmänner und vergleichbare Fälle, bei denen mittellose Künstler als Ein- und Verkäufer für Sammlungen fungierten, sowie Erklärungsmodelle für die Bereitstellung und den Transfer finanzieller Mittel. Die bei der Tagung diskutierten Fragen gehen später ebenso in das Konzept der ab Herbst 2018 im DTM präsentierten Ausstellung ein, wie die Ergebnisse zu den regionalen Spezifika bestimmter Trachtenelemente.

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Zum Verbundprojekt „Weltbunt – Bedeutung der historischen Farbstoffsammlung für die Entwicklung der Textil- und Chemischen Industrie und Alltagskultur“ – 2017–2020

Ein weiteres, anders strukturiertes Forschungsprojekt des DTM ist das Verbundprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Schram, Hochschule Niederrhein, und der Beteiligung des Städtischen Museums Schloss Rheydt mit Dr. Karlheinz Wiegmann und Prof. Dr. Robert Fuchs mit Dr. Doris Oltrogge an der CICS der Technischen Hochschule Köln. Dieses Projekt wird seit Februar 2017 bis Ende Januar 2020 vom BMBF gefördert. Ausgangspunkt für die Aktivitäten des Verbunds sind die etwa 10.000 Fläschchen mit originalen Färbesubstanzen, die in der 2. Hälfte des 19. und im frühen 20. Jahrhundert von der Chemischen Industrie Krefelds für die Textilfärbung hergestellt wurden.(2) Der Standort Krefeld war seinerzeit führend in der Farbenindustrie. Zu Testzwecken gab man die Neuentwicklungen an die Vorgängerinstitution der Hochschule Niederrhein, die Färbe- und Appreturschule in Krefeld, wo Studierende, Chemiker und Textiler gemeinsam und in großen Chargen Testreihen mit den Färbemitteln durchführten und die Handhabung, Anwendbarkeit und Farbechtheit prüften. Ihre Erkenntnisse entschieden mit darüber, ob eine Substanz verworfen wurde oder in die Serienproduktion ging und damit auf den Weltmarkt gelangte.

Die in Krefeld erhaltenen und in weiten Teilen im TextilTechnikum Rheydt ausgestellten Fläschchen sind der Schatz, der hier sowohl in der chemischen Zusammensetzung der Substanzen, als auch in wirtschaftshistorischer und firmengeschichtlicher Sicht und hinsichtlich ihrer weltweiten Distributionsnetze untersucht wird. Wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei auch die Anwendung in der Mode, der sich das DTM widmet. Untersucht werden Kleider und Accessoires der eigenen Modesammlung aus der Zeit von 1880 bis in die 1930er Jahre. Zeitgenössische wissenschaftliche Zeitschriften, Musterbücher von Textilherstellern und Modejournale, die sich ebenfalls im Besitz des Museums befinden, sind hierfür bedeutende Informationsquellen, anhand derer Modefarben und Farbkombinationen ausgemacht werden können. Zudem werden parallel stattfindende Änderungen in der Farbigkeit mit Veränderungen bei den Kleiderschnitten betrachtet. Alle ermittelten Daten der Projektpartner fließen in eine online-verfügbare Datenbank ein und sind so einem interessierten Publikum zugänglich. Mit der Durchführung des DTM-Projektteils sind eine zusätzliche Textilrestauratorin und eine Wissenschaftlerin betraut. In enger Zusammenarbeit mit dem Museumsteam erarbeiten sie die „große“ Ausstellung des DTM für den Herbst des Jahres 2019, die den Titel „Zeitkolorit“ tragen wird.

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Fazit

Forschung im Museum ist im Deutschen Textilmuseum Krefeld eng mit der Präsentation entsprechender Ausstellungen verbunden, die die neu erworbenen Erkenntnisse einem breiten Publikum zugänglich macht. Tagungen, Publikationen von Bestandskatalogen und Aufsatzsammlungen, aber auch ein Online-Auswahl-Katalog sind bedeutende Mittel, die den Schatz der Krefelder Textilsammlung einem internationalen und auch weit verstreuten Fachpublikum zugänglich machen werden. Mit den umfassenden Aktivitäten gewinnt das Museum nicht nur Erkenntnisse über den eigenen Sammlungsbestand, sondern wird zunehmend Aufmerksamkeit und Interesse auf das DTM und seine Sammlung ziehen und so die Krefelder Objekte auch anderen Forschungsaktivitäten zugänglich machen.

Anmerkungen

(1) Zur Geschichte der Sammlung: Paetz gen. Schieck, Annette: Transformation processes of the Jakob Krauth Textiles Collection into a Study Collection and Emergence of the Deutsches Textilmuseum Krefeld, Germany, in: Rosina, Margherita (Hg.), Collecting Textiles. Patrons Col-lections Museums, FAR Turin 2013, 46–61.
(2) Stadt Mönchengladbach (Hg.): Magazin zur Ausstellung Städtisches Museum Schloss Rheydt, … und die Welt wird bunt! Wie die Farbe in den Alltag kam, Mönchengladbach 2014.

INFORMATION

Deutsches Textilmuseum Krefeld
Andreasmarkt 8
47809 Krefeld
Tel.: 02151 946 9450
Tel.: 0228 98 342 61
Mail: textilmuseum@krefeld.de
Web: www.krefeld.de/textilmuseum